Warum machen Pferde (at liberty) mit? Wie motiviere ich mein Pferd?
„Dein Pferd ist hier um Dir zu gefallen“ sagt Wolfgang Krischke, Leiter der Hofreitschule Bückeburg. Der tschechische Horsemanship Trainer Honza Blaha sagt, das Pferd will ein Teil von etwas sein, will mit jemandem sein. „Wer bist Du in den Augen Deines Pferdes?“ fragt Bent Branderup
Kurz überlegt… Mit wem wollten wir denn zusammen sein? Und wem wollten wir gefallen? Wahrscheinlich Jemandem, der voll präsent ist, der uns sieht, der unser Selbstwertgefühl stärkt.
Nicht selten beobachte ich, wie ein Pferd mit körperlichen Bewegungseinschränkungen nach einer chiropraktischen Behandlung in der Rangfolge der Herde aufsteigt. Indem ich die körperliche Geschicklichkeit stärke, stärke ich das Selbstwertgefühl des Pferdes.
Ich habe auch erlebt, wie rangniedrige Pferde in der Ordnung aufsteigen, während ich mit ihnen gearbeitet habe und ihnen somit Aufmerksamkeit geschenkt habe und das Gefühl, für mich wichtig zu sein bzw. eine wichtige Aufgabe zu erfüllen.
Wenn man bereits kleinste Bemühungen überschwenglich lobt scheinen Pferde zu denken „Also wenn ich Dir mit sooo wenig eine sooo große Freude machen kann, dann mach ich das“.
Bist Du ein guter Anführer? Machst Du Dinge, die Spaß machen? Bist Du bei der Sache?
Die Aufforderung „paß auf“ gilt für beide Seiten, Mensch und Pferd. Ich kann nicht von meinem Pferd erwarten, aufmerksam zu sein, während ich mit meinen Gedanken abschweife oder auf mein Handy gucke. Meine Pferde sind meine volle Aufmerksamkeit so gewohnt, daß sie mich fast erschrocken ermahnen, wenn mich innerlich etwas beschäftigt, das mich gedanklich abschweifen läßt. Es ist wie ein „Wo bist Du?“. Gleichzeitig bekomme ich von Zuschauern immer wieder die Rückmeldung, wie konzentriert meine Pferde auf mich sind und wie sehr sie alles mitbekommen und recht machen wollen.
Als ich mit Melissa meine Wappenträgerprüfung ritt, war ich mir des Ausgangs nicht sicher. Nicht alles klappte, wie es klappen sollte und Melissa hatte ihre körperlichen Schwierigkeiten. In der Prüfung spürte sie, daß es gerade wichtig war und fragte nach jeder erledigten Aufgabe „was kommt als nächstes? was soll ich JETZT tun? welche Richtung?“ Es folgte ein Moment nach dem anderen, in dem ich am liebsten abgestiegen, sie gelobt und aufgehört hätte, weil ich ihre Bemühung, alles zu geben, so sehr geschätzt habe. Natürlich bin ich nicht abgestiegen denn ich hatte ein höheres Ziel, das ich nur mit dieser Bemühung meines Pferdes erreicht habe
Lange habe ich die Ausdauer, Sprungkraft und Geschicklichkeit meines Venis trainiert bis wir endlich an unserer ersten Fuchsjagd teilnehmen konnten. Es war für ihn ein langer und anstrengender Ritt. Am nächsten Tag stand er als erster am Zaun als wollte er sagen: „Wenn Du etwas schwieriges zu erledigen hast, ich mach das für Dich!“
Teil von etwas sein wollen ist eine starke Motivation. Teil einer Miniherde zu sein. Die domestizierte Pferdehaltung bietet nicht viele Herausforderungen. Selbst auf einem Paddock Trail lebende Pferde haben nicht viele Abenteuer zu meistern. Können wir ihnen das fehlende Abenteuer in unserer Beschäftigung mit ihnen bieten, stehen sie pünktlich zu unserer gewohnten Ankunftszeit am Tor und gucken ungeduldig auf die Uhr. Da kann man ihnen mit „Du hast heute frei“ keine Freude machen.
„Mit Leckerlies hätte ich das mit meinen Pferden auch hingekriegt“ bekam ich einst als Kommentar auf mein nach langem Üben erstelltes Video, das mich mit meinen beiden Pferden gemeinsam at liberty zeigte, gesagt. Ja, vielleicht. Der Mensch als Futterautomat mag auch eine Motivation sein. Doch wen schätzen wir auf Dauer mehr? Jemanden auf Augenhöhe, der weiß, was er will, oder jemanden, der uns mit Geschenken kauft? Wer hat in unseren Augen mehr Ansehen und verdient unseren Respekt?
Ich habe nichts gegen Futterlob und setze ihn selbst je nach Pferdepersönlichkeit, mit der ich es zu tun habe, unterschiedlich oder gar nicht ein. Auch hier habe ich die Erfahrung gemacht, daß wenn nicht ich es bin, die eine Belohnung gibt, sondern der Schalter sich umlegt und das Pferd plötzlich die Belohnung fordert, auch der Respekt nicht mehr vorhanden ist. Es sollte also auch ohne gehen.
Ansonsten gilt auch hier: „The Master has failed many more times than the beginner ever tried.“ Wenn es mit der Motivation mal nicht klappt: Nicht verzweifeln – nochmal versuchen!
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