Patientenbericht Sugar&Spice

Patientenbericht Sugar&Spice

Patientenbericht Sugar&Spice

7-jährige Irish Sporthorse Stute Sugar&Spice

Sugi ist eine noch wachsende, sehr sensible, sehr intelligente und hochexplosive junge Stute, die, wenn sie kann, sehr bemüht ist alles zu machen wie es von ihr verlangt wird. Beim Longieren erklärte sie mir auf folgende Weise, dass etwas nicht stimmt: Auf der linken Hand war Traben auch schön fleißig vorwärts gut möglich in einer schönen Dehnungshaltung. Ebenfalls auf der linken Hand ist der Galopp nur über maximal eine Zirkelrunde möglich bevor sie dann ausfällt. Auch bei wiederholten Versuchen.

Auf der rechten Hand ist der Trab kaum möglich und schon gar nicht in einem fleißigen Tempo. Bei der Aufforderung fleißig vorwärts zu traben fällt Sugi sofort in den Galopp, der auf der rechten Hand über viele Runden möglich ist allerdings immer wieder begleitet von wilden Luftsprüngen, bei denen sie Kopf und Hals hebt und offensichtlich versucht ihre innere (rechte) Schulter aufwärts zu korrigieren.

Bei der chiropraktischen Untersuchung und Behandlung stellte ich einen blockierten 6. Halswirbel fest (Linksbiegung im Bereich 6. Halswirbel nicht möglich), beidseits ein blockiertes Kreuz-Darmbein-Gelenk, eingeschränkte Linksbiegung im Bereich hintere Brustwirbelsäule bis hin zum Kreuzbein.

Die aufgezählten Blockaden sind vermutlich bei wilden Spielen auf dem Paddock entstanden, bei denen sie öfters zu beobachten ist. Ansonsten wird Sugi regelmäßig chiropraktisch behandelt und weist bis auf durch Wachstumsschübe verursachte Schwierigkeiten der Balance keine Bewegungseinschränkungen auf.

Am Tag nach der chiropraktischen Behandlung konnte sie auf der linken Hand bereits 2 bis 3 Runden durchgaloppieren. Auf der rechten Hand konnte sie nach einigen „Fehlzündungen“ (Luftsprüngen) wieder ordentlich Traben und auch Galoppieren ohne Luftsprünge.

Am zweiten Tag nach der Behandlung konnte sie 3 bis 4 Runden auf der linken Hand galoppieren, auf der rechten Hand waren schon mehrere Runden in einer schönen Dehnungshaltung fleißig vorwärts im Trab möglich. Galopp war mit einer Ausnahme des fröhlichen Jungpferde-Bockens ungestört möglich. Erst bei Ermüdung wollte sie auf der rechten Hand wieder den Galopp dem Trab vorziehen.

Wir können nun wieder an unseren normalen Themen weiterarbeiten.

Bodenarbeit als Beziehungsarbeit

Bodenarbeit als Beziehungsarbeit

Über Gymnastizierung zu klaren Verhältnissen

Zu diesem Thema lasse ich hier eine Bodenarbeits-Schülerin von mir zu Wort kommen:

Bis November 2019 lag mein Fokus überwiegend auf dem Dressurreiten. Ich bin gerne mit meinem Wallach auf Turniere gefahren und habe ab und zu auch mal vom Boden aus gearbeitet. In der Vergangenheit habe ich auch den einen oder anderen Lehrgang zum Thema Bodenarbeit besucht und hier und da ein Buch zum Thema gelesen.

Ich habe mein Pferd nun seit mittlerweile acht Jahren. Hängerfahren war immer super entspannt – Strick über den Hals, aufgeladen, Klappe zu.  Auf einem Turnier im April 2018 stand er während einem heftigen Gewitter mit Hagel im Hänger. Ab diesem Zeitpunkt ließ er sich eigentlich nicht mehr verladen und ich dachte, dass er wegen dem Gewitter eine fürchterliche Angst haben musste. Ich habe alles ausprobiert. Jeden Abend auf dem Hänger füttern, liebevoll mit Ruhe und Verständnis davor stehen und warten bis er einsteigt, anmotzen und konsequent immer wieder auffordern. Im Ergebnis ohne Ergebnis. Im besten Fall hat er mich ignoriert. Im schlimmsten Fall stand er steigend vor mir und ungefährlich war anders.

Da das ganze wenig erfolgversprechend und ich mit meinem Latein am Ende war, habe ich das Verladethema erstmal beiseite gepackt und meine Turniersaison abgebrochen.  War zwar an sich nicht schlimm, aber trotzdem tummelte sich das Thema immer wieder in meinen Gedanken. Schließlich ging es nicht nur ums Turnierreiten, sondern viel schlimmer wäre der Notfall, wegen dem er in die Tierklinik gebracht werden müsste.  Ich habe erstmal gehofft, dass der so schnell nicht eintreten würde.

Im Sommer 2019 habe ich Marta kennengelernt. Ich habe dann mehr oder weniger zufällig über ihre Homepage erfahren, dass Sie Unterricht insbesondere auch im Bereich Bodenarbeit gibt. Da mich das Thema ohnehin schon immer interessiert hat, dachte ich mir „ warum den Fokus nicht etwas verschieben, gerade wo das Turnierreiten sowieso erstmal gestrichen ist“ und ich gebe zu, irgendwo keimte da auch wieder die Hoffnung auf, über die „Arbeit von unten“ das Verladeproblem vielleicht in den Griff zu bekommen. Im November 2019 habe ich dann angefangen bei Marta Unterricht  zu nehmen.

Ich bin mit Pferden aufgewachsen und hätte auch behauptet, dass ich mein Pferd – abgesehen vom Verladen und vielleicht der einen oder anderen kleineren Unart – ganz gut im Griff habe. Ich habe allerdings sehr schnell merken müssen, dass die Beziehung  zwischen mir und meinem Wallach aus gut ausgetüftelten Kompromissen bestand und eben gerade nicht ganz klar war, wer wem sagt was zu tun ist. Obwohl oder vielleicht sogar weil wir uns beide so gut kennen.

Ein bisschen wurde meine Pferdewelt auf den Kopf gestellt. Aus Kleinigkeiten wie beispielsweise die Schulter weichen lassen entstand im Unterricht zwischen meinem Wallach und mir eine Riesendiskussion über grundlegende Prinzipien unserer Beziehung und ich musste selbst lernen, wie inkonsequent ich in meinen eigenen Verhaltensmustern war, was verständlicherweise zu Unklarheit bei meinem Pferd geführt hat. Zeitweise waren diese Diskussionen wirklich gefährlich. Ich ahnte zwar, dass es diese unschöne Seite an ihm gibt, habe die Konfrontation durch die geschlossenen Kompromisse aber in der Vergangenheit überwiegend vermieden. Der kilomäßige Unterschied zwischen Mensch und Pferd wird einem  in solchen Situationen einmal mehr bewusst. Es war auch ganz klar, dass bei solchem Verhalten und seiner Größe von 1,77m eine gezielte Strategie erarbeitet werden muss, die weder Mensch noch Pferd gefährdet. Und man kann sagen – dieser Grat war sehr schmal. An dieser Stelle sollte auch die psychische und emotionale Komponente erwähnt werden. Solche Situationen bedürfen hundertprozentiger Aufmerksamkeit und Kontrolle über die eigenen Emotionen. Sie sind nicht alltäglich und deshalb umso fremder. Und das ist an sich auch gut so. Ich habe gemerkt, wie wichtig ein Trainer ist, der das Geschehen in seiner Gesamtheit wahrnimmt und schon bei Nuancen eingreift und unterstützt, weil man selbst -besonders mit dem eigenen Pferd – zu sehr in der gemeinsam erlernten Routine festhängt und einfach nicht ausreichenden Überblick hat.

So ist es dazu gekommen, dass unsere Unterrichtseinheiten ganz schnell ganz unterschiedliche Komponenten hatten und ich mindestens so viel an mir arbeiten musste wie an meinem Pferd. Eine gute Mischung aus akademischer Arbeit mit Kappzaum und Seitengängen, Arbeit an der Longe und theoretisches Wissen über Körpersprache und Verhalten von Pferden.

Zugegebenermaßen war und ist mein Wallach für mich ein Kuscheltier und ich hatte etwas die Befürchtung, dass unsere Beziehung vielleicht  darunter leiden könnte, weil er eine klare Rollenverteilung nicht so sehr schätzen könnte wie ich. Aber auch hier bin ich eines besseren belehrt worden.

Die kleinen Unarten wie zum Beispiel immer an meiner Jacke rumzuknabbern sobald ich in der Nähe war, wurden weniger oder verschwanden. Und für mich eigentlich das Schönste war die Kommunikation zwischen uns beiden. Mein Pferd wurde gesprächig. Ich wurde mit einem lauten Grummeln begrüßt, schon wenn er meine Stimme vor dem Stall gehört hat. Hier und da wurde auch bei Ansprachen zwischendurch gegrummelt und letztlich sogar nach der Bodenarbeit, wenn ich ihm den Kappzaum abgenommen habe damit er sich wälzen konnte. Beim Reiten hatte ich ein geschmeidigeres Pferd unter mir. Das intensive Gymnastizieren und Arbeiten an den Seitengängen von unten hatte sich definitiv bezahlt gemacht. Ich konnte sie jetzt auch von oben noch präziser abrufen und unsere Traversalen hatten an Qualität gewonnen.

Die Grundsatzdiskussionen wurden weniger und die Arbeit an sich harmonischer. Marta war sich sicher, wenn wir die Probleme im Rahmen der Bodenarbeit behoben haben, würde auch das Verladen wieder funktionieren.  Wir haben dann damit begonnen in unseren wöchentlichen Trainingseinheiten das Verladen mit bestimmten Übungen vorzubereiten. Insgesamt wurde mir durch unsere gemeinsame Arbeit  das Grundproblem einfach immer klarer.

Zu guter Letzt war es dann soweit. Verladetraining. War ja klar – auch hier wieder eine Grundsatzdiskussion. Das Prinzip: Vor dem Hänger wird gearbeitet, im Hänger ist Pause. Soweit so gut- Pferd und ich hatten das beide auch relativ schnell verstanden. Das führte dazu, dass mein vermeintlich ängstliches Pferd aus dem Hänger gar nicht mehr raus wollte. Wenn er dann aber wieder runter musste, hat er sich sofort losgerissen und ist abgehauen. Er wusste ja – vor dem Hänger bedeutet Arbeit.  Auch für dieses Problem hatte Marta eine Lösung. Nach fast zwei Stunden konnten wir in Ruhe aufladen, abladen, loben und beenden.

Natürlich mussten wir das wiederholen. Ich hatte extra meine Mutter mitgebracht, die beim Pferd Fangen helfen sollte. Ich war total aufgeregt und es passierte etwas für mich fast unfassbares.  Schon bei unseren Aufwärmübungen hatte ich ein ganz anderes Pferd vor mir. Gelassen und freundlich mitarbeitend. Die Hängerklappe ging auf, er spitzte die Ohren und hatte sofort einen Vorwärtsimpuls Richtung Hänger. Wir konnten dann einfach so aufladen, wieder abladen, aufladen, wieder abladen. Pferd entspannt, Besitzer entspannt. Wir haben dann innerhalb von 45 Minuten mehrfach verladen, konnten eine Runde spazieren fahren und nach dem Abladen wieder sofort aufladen. Vollkommen ohne Probleme und im Ergebnis ein Ergebnis, an dass ich so zwischendurch in den letzten eineinhalb Jahren fast nicht mehr geglaubt habe.

Meine Geschichte ist schon sehr ausführlich und es fehlt trotzdem noch so viel Wichtiges. Eine kürzere Abhandlung wäre der Sache aber einfach nicht gerecht geworden. In den letzten Monaten stecken viel Geduld, Fleiß und Disziplin. Nicht nur von meinem Pferd und mir sondern auch von Marta, die mich immer wieder auf dieselben entscheidenden Kleinigkeiten hinweisen musste, die für das Ergebnis so wertvoll waren und die mir in der ein oder anderen Situation wirklich intensiv  unter die Arme greifen musste. Wir haben gemeinsam eine Strategie erarbeitet, wie ich das Gelernte in mein normales Training einbauen kann und auf Grund derer ich zukünftig keine Angst mehr vor dem Verladen haben muss. Ich habe viel gelernt und werde das Wissen unbedingt weiterhin in meinen täglichen Umgang mit Pferden einbauen. Durch die Zusammenarbeit wurde mir noch klarer: was möchte ich und wie komme ich gemeinsam mit meinem Pferd dahin.

Anna und Seppel

Das Pferd hat gelernt auf eine Hilfe am Kappzaum Kopf und Hals zu senken.

Konzentriertes Antreten in der Dehnungshaltung.

Das Pferd lernt die Einwirkung des biegenden inneren Schenkels hier mit Hilfe der Gerte als Verlängerung des Arms der Ausbilderin und das Führen und Plazieren der Schulter.

Eine der ersten Traversalen in der Bodenarbeit. Unter dem Sattel hat Seppel diese schon gelernt.

Herausschicken an der Longe auf die Zirkellinie in Stellung und Biegung.

Trab an der Longe in der Dehnungshaltung in Stellung und Biegung.

Durch die Bodenarbeit wurden die Beziehung, Konzentration und Motivation verbessert.

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint  (Kurt Tucholsky)

Übergewicht bei Pferden ist ein immer aktuelleres Thema. Immer mehr Pferde leiden darunter und dadurch auch unter Stoffwechselstörungen und den daraus resultierenden Folgen. Immer mehr geht den Menschen der Blick für ein normalgewichtiges vs. ein übergewichtiges Pferd abhanden. Hier lasse ich eine Patientenbesitzerin selbst zu Wort kommen:

Aufgrund seiner arthrotischen Veränderungen und diverser anderer Befunde, wollte ich meinem 10-jährigen Spanier Bucanero ein „naturgetreues Leben“ außerhalb einer Box ermöglichen.

Die Suche nach einem geeigneten Offenstall gestaltete sich schwierig, doch letztendlich konnte ich einen wunderschönen Hof finden. Die Pferde wurden im Winter mit Heulage gefüttert, ihnen stand eine 10.000 qm große Wiese zur Verfügung und im Sommer kamen die Pferde 24/7 auf riesige grüne Wiesen. „Toll – da schlägt jedes Freizeitreiterherz höher“

Mein Pferd fing an sich zu verändern. Er wurde immer dicker trotz Fressbremse im Sommer, schwamm von Jahr zu Jahr mehr auf, er war andauernd müde, extrem triebig, sein Fell und seine Haut veränderten sich. Er fing an sich Mähne und Schweif zu schubbern. Seine Sarkoide wurden immer größer. Er fing an zu husten und zu lahmen. Er hatte Kotwasser und Durchfall, Sommer wie Winter.

Leider habe ich viel zu lange darüber hinweggesehen, mein Pferd war doch „glücklich“.

2019 kam dann der große Gau. Es wurde bereits Ende März angeweidet, die Wiesen sollten dieses Jahr früher geöffnet werden.

Mitte April kamen die Pferde 24/7 auf die Wiese. Von Tag zu Tag konnte ich zusehen wie es meinem Pferd schlechter ging. Er wurde immer apathischer, hustete vermehrt, lahmte undefinierbar und war stocksteif.

Da ich mir diese Lahmheit und die Steifheit einfach nicht erklären konnte, rief ich Frau Lewandowski an.

Bei unserem Termin sagte sie mir eindringlich das, was ich schon die ganze Zeit innerlich wusste.

DAS PFERD IST ZU DICK.

Nach dem benötigten Anstoß von Frau Lewandowski, warf ich mein komplettes Haltungskonzept über den Haufen. Ich nahm das Pferd raus aus dem Laufstall und runter von der grünen Wiese.

Es bekam Heu und Stroh, abgewogen auf sein Idealgewicht, ich startete eine Entgiftungskur und strich die Wiese komplett von seinem Ernährungsplan.

Gemessener Brustumfang bei Diätbeginn waren sage und schreibe 193 cm. Bei einem 1,50 m großen Pferd!

22.03.2019

08.05.2019

Innerhalb der nächsten Wochen ging es meinem Pferd zunehmend besser.

Er hörte auf sich die Mähne und Schweifrübe zu schubbern, er hustete nicht mehr und seine undefinierbare Lahmheit war weg. Die dicke Fettschicht auf seinem Fell verschwand und es fing an zu glänzen.

Nach 10 Wochen eiserner Futterumstellung und angepasstem Training stand ein erneuter Termin bei Frau Lewandowski an. An diesem Tag hatten wir einen Brustumfang von 182,5 cm erreicht. Das Pferd war so locker wie noch nie in seiner Muskulatur.

23.07.2019

Natürlich sind wir noch nicht ganz an dem idealen Gewicht angelangt aber es ist doch unglaublich, wie schnell sich der Körper wieder regeneriert, wenn man ihm dazu die Chance gibt.

Aus Blindheit und falscher Güte, habe ich mein Pferd krank gemacht.

 Ramona und Bucanero

Vielen Dank für diesen wunderbar dokumentierten Erfahrungsbericht mit Happy End! Eine kleine Anmerkung habe ich noch: Die Futterration wird immer für das aktuelle Gewicht berechnet und – wenn das Pferd an Gewicht verloren hat – wieder für das dann aktuelle Gewicht. Da die meisten aber ihr Pferd nicht ständig wiegen können wird es beobachtet und geschätzt, oder eben per Brustumfang ermittelt.

“Wenn man nix von ihm will ist er brav”

“Wenn man nix von ihm will ist er brav”

„Wenn man nix von ihm will ist er brav“

So lautet einer der Sätze in meinem Berufs-Bullshit-Bingo. Es folgt die Verteidigung schlechten Benehmens („Wer weiß was der erlebt hat“ – Ich weiß was der NICHT erlebt hat: ERZIEHUNG.) gefolgt von Sätzen wie „Ich kann ja auch nichts dafür“ an das Pferd gerichtet (Wer hat mich denn herbestellt?) und auch Lachen, weil das schlechte Benehmen ja so süß ist.

Frage: Wann kommt es denn darauf an, dass sich das Pferd gut benimmt? Wenn man nichts von ihm will oder wenn man was will?

Was sagt es denn aus wenn das Pferd aufhört brav zu sein sobald man etwas von ihm will? Überlegen wir doch mal wie es in der Pferdeherde aussieht. Darf der Rangnierdige dem Ranghöheren sagen „ne das will ich jetzt nicht was du von mir willst, geh weg, ich drohe dir“? Ganz bestimmt nicht!

In der Herde hängt das Überleben von einer klaren Rangordnung ab. Wenn es heißt Flucht dann sagt nicht Nr. 26 „ne, passt mir grad nicht, da schau ich erst selbst mal nach“. Auch spielt Nr. 1 nicht mit Nr. 26. Die 25 spielt mit 26 um nämlich zu klären ob die Folge noch stimmt oder geändert werden sollte. Lassen wir uns also auf Spielchen mit unserem Pferd ein begeben wir uns auf die gleiche Ebene. Und lassen wir dies zu und erkennen nicht die Anfänge, in denen wir die Situation unspektakulär klären könnten, schrumpft unsere Komfortzone schnell. Wir können das Pferd dann nicht mehr dem Tierarzt vorstellen und behandeln lassen, nicht mehr den einen Weg reiten, vielleicht auch nicht mehr Satteln usw.

Das Bestreben, mit dem Pferd befreundet zu sein, lässt die Menschen ihren Rang aufgeben. Wir haben immer mehr Ausbildungs-„Methoden“ aber immer weniger gut erzogene Pferde. Da höre ich „das muss man ignorieren“, „erst wenn es heftig ist dann muss man einmal richtig durchgreifen“. Was aber fehlt ist die Fähigkeit das Verhalten des Pferdes aus Pferdesicht zu erkennen und Grenzen zu setzen.

„Ja am Kopf mag er nicht angefasst werden“ ist eine weitere Überzeugung. Wer darf denn wen „anfassen“ in der Herde? Selbstverständlich wird der Ranghohe sagen, was er nicht will. Der Rangniedrige muss sich aber fügen. Erklären wir also unserem Pferd „ich fasse Dich an wann ich will und wo ich will“ und lasse los wenn das Pferd geduldig mitmacht haben wir nicht nur ein händelbares Pferd sondern auch eine geklärte Rangordnung.

Unser Pferd wird unser bester Partner wenn wir es wie ein Pferd, nicht wie einen Menschen behandeln.

Back to basics

Back to basics

Back to basics

Interessante Situation. Ich werde gebeten eine Reitstunde zu geben. Grund: Das Pferd ist unaufmerksam und unstet in der Anlehnung vor allem in den Übergängen. Und reagiert nicht wirklich auf Hilfen.

Zum Schluss der gemeinsamen Unterrichtseinheit ist das Pferd aufmerksam, dehnt sich konstant zur Hand hin auch in den Übergängen, kaut und hat Schäumchen an den Lippen, schnaubt immer wieder ausgiebig ab und hat einen losgelassenen taktklaren Gang mit schön sichtbarem An- und Abspannen der Bewegungsmuskulatur, der Schweif wird ruhig getragen.

„Wird das Pferd denn nicht sauer durch diese Art des Reitens?“ werde ich gefragt und verstehe die Frage nicht. Das Pferd steht an den Hilfen und zeigt alle Anzeichen der Losgelassenheit und die Reiterin zweifelt an, etwas Gutes erreicht zu haben?

Dies ist leider kein Einzelfall und mir wiederholt passiert, weswegen ich es aufschreibe.

„Ich möchte dem Pferd nicht meinen Willen aufzwingen“ oder „Ich habe Angst etwas falsch zu machen deswegen mache ich weniger“ höre ich dann.

Leider ist das Erlernen der Basis aktuell nicht „in“. Reiten höherer Lektionen oder das Ausüben von Kunst bevor man das Handwerk erlernt hat sind der Trend. Aber ohne die Basis kann der Reiter nicht wissen, wonach er sucht. Und ohne auf die Bedürfnisse des Pferdes einzugehen – nämlich die der klaren Führung – entsteht kein Vertrauen und keine Losgelassenheit. Ohne zu erkennen, was erwünscht und was unerwünscht ist, kann der Reiter nicht rechtzeitig das gewünschte Verhalten beloben und fördern. Und ohne Übung und Wiederholung unter Anleitung wird sich das Gefühl und der Blick für das Gewünschte nicht schulen.

Auch wenn es gerade „in“ ist über die FN zu schimpfen: Die theoretische Auflistung der Zeichen der Losgelassenheit sind Bestandteil des Lehrstoffes für das kleine Reitabzeichen! Ebenfalls das Wissen wie man korrekt ein Reithalfter verschnallt. Auch wie man eine Vorhandswendung reitet und was das überhaupt ist. Denn ohne das Verständnis für eine vorwärts-seitwärts treibende Hilfe wird das nichts mit den Seitengängen.

Das auf den ersten Blick „Weniger“ ist bei genauerem Hinsehen „Mehr“ wenn man die Qualität erkennt mit dem Pferd wirklich in Kontakt zu sein.

Und die FN Richtlinien Band 1 sollte doch nun wirklich jeder Reiter mal gelesen haben…

Über falsch verstandene FEINE HILFEN und das SCHRUMPFEN DER KOMFORTZONE

Über falsch verstandene FEINE HILFEN und das SCHRUMPFEN DER KOMFORTZONE

Über falsch verstandene FEINE HILFEN und das SCHRUMPFEN DER KOMFORTZONE

Der Reiter soll sein Pferd mit unsichtbaren Hilfen reiten, das ist wohl das Idealbild einer jeden Reitweise. In den sozialen Netzwerken wird jeder in der Luft zerrissen, der es auch nur ansatzweise nicht so beherrscht und es wagt, eine Darbietung seiner Kunst in Bildern online zu stellen.

Die Realität in der Welt der Nicht-Profi-Reiterinnen sieht daher oft so aus: Die Reiterin möchte ausschließlich feine Hilfen geben. Das Pferd weiß das und befindet es nicht für nötig auf diese zu reagieren. Die Reiterin probiert es noch einmal. Eventuell wird das Pferd abweisend. Die Reiterin ist verunsichert. Schließlich muss es ihr Fehler sein dass das Pferd nicht wunschgemäß reagiert hat. Also traut sie sich noch weniger etwas zu machen. Die Komfortzone schrumpft.

Was ist hier passiert? Tatsächlich hat die Reiterin etwas falsch gemacht. Abgesehen davon, dass sie eventuell tatsächlich keine korrekten Hilfen gegeben hat, hat sie zugelassen, dass ihr Pferd ihre Hilfen ignoriert. Somit hat sie es selbst zum Ungehorsam erzogen.

Folgen auf das Ausbleiben einer Reaktion auf die Reiterhilfen keine Konsequenzen – also eine Verstärkung der korrekten Hilfe – wird das Pferd beim nächsten Versuch noch weniger darauf reagieren. Es hat ja gelernt dass es das nicht tun muss.

Konsequenz scheint ein großes Problem zu sein. Die Reiterinnen wollen nicht grob sein und sie befürchten, ihr Pferd würde sie nicht mehr mögen, höre ich immer wieder. Aber genau das ist die Falle. Auch in der Herde rangniedrige Pferde werden ihrem Menschen gegenüber ranghoch wenn dieser sich nicht durchzusetzen vermag. Pferde untereinander legen die Rangfolge auch nicht mit Streicheln fest. Manchmal fragen sie uns: Bist Du wirklich bereit ALLES zu tun um zu bekommen, wonach Du mich fragst? Wenn die Antwort ein klares JA ist reichen feine Hilfen. Wenn es ein inneres Zögern gibt definitiv nicht.

Einem Pferd, das die Hilfe nicht kennt oder nicht versteht, muss man sie ruhig erklären. Einem Pferd, das die Hilfe kennt und versteht aber einfach nicht ausführt, muss man sie verstärken. Immer wieder nehme ich ein Pferd meiner Schüler in die Hand und das Pferd macht sofort, was es die ganze Zeit nicht tun wollte. Auf ihre Frage, was ich anders gemacht habe (denn von außen betrachtet habe ich nichts anders gemacht) antworte ich: Ich habe die Einstellung „Ich habe eine Gerte in der Hand und Null Hemmungen sie einzusetzen“. Ich habe wirklich Null Hemmungen sie einzusetzen aber tun muss ich es selten. Denn die Pferde antworten mir „okay okay, halt das Ding still, sag mir was Du willst, ich mach das für Dich“.

Es sollte das Anliegen des Pferdes sein, dass wir feine Hilfen geben. Nicht unser. Wir sollten aber jederzeit bereit sein, den Druck unserer Hilfen zu beenden, wenn das Pferd uns seine Bereitschaft zur Mitarbeit signalisiert. Mit jederzeit meine ich eine Reaktionsgeschwindigkeit als hätten wir uns an einer heißen Herdplatte verbrannt.

Mag das Pferd mich nun danach weniger? Ganz das Gegenteil ist der Fall. Die Pferde lieben es gesehen zu werden. Auch in ihren Hemmungen, Hinterfragungen und Ausweichmanövern. Sie lieben es wenn es jemand wirklich ernst meint mit ihnen und schauen zu einem solchen Menschen herauf. Einen Leckerlispender hingegen schätzen sie gering und sagen ihm wo es lang geht. Mit einem ranghohen Menschen kann man tolle Dinge erleben, einen rangniedrigen kann man nur herumschubsen. Was wertvoller ist möge die Leserin selbst entscheiden 😉

Selbstverständlich wird nicht immer die erste Reaktion auf das Gesehenwerden im Sich-Entziehen Herzchen in den Augen des Pferdes sein. Natürlich werden sie uns beeindrucken und von unserem Vorhaben abbringen wollen. Wer gibt schon immer gleich freiwillig 100 % wenn man versuchen kann bequeme Kompromisse einzugehen?

Was ist denn jetzt die Lösung des Problems? Interessant ist, dass wenn die Reiterin nun ohne die passende innere Einstellung konsequent spielt und sagen wir mal „deutlicher wird“ indem sie tatsächlich z.B. die Gerte mehr einsetzt, dies meist einfach am Pferd abprallt. Auch wenn man denken könnte, der Gerteneinsatz hätte weh getan, scheinen die Pferde zu sagen: Das tust DU nie wieder, das hat DIR mehr weh getan als mir.

Auch ist es nicht wahr, dass Perfektionisierung der Hilfen des Rätsels Lösung ist bevor man konsequent werden darf. Eine korrekte Hilfe beinhaltet den der Situation angemessenen Grad an Konsequenz. Ein Pferd kann allerdings wenn es möchte noch mit recht unpräzisen Hilfen für uns tun, wonach wir fragen. Man kann das mal bewusst probieren. Pferde, die gewohnt sind präzise und hochkonzentriert in einer guten Beziehung zu arbeiten scheinen sogar zu sagen „Hey, alles in Ordnung mit Dir? DU bist gar nicht bei der Sache“.

Ein anderes Beispiel ist wieder ein Pferd, das ich von einem Schüler in der Bodenarbeit übernehme, weil es einfach nicht macht, was es soll obwohl sich sein Mensch super präzise ausdrückt. Oft habe ich dann die Einstellung „Ich habe eine Gerte in der Hand und kann damit leider nur grobmotorisch umgehen“. Auch da heißt es „okay okay, halt das Ding still, ich weiß genau was gemeint ist“.

Ob eine Hilfe grob, fein, angemessen, konsequent oder unkonsequent ist ist nur in der Situation selbst zu beurteilen. Wie immer macht die Dosis das Gift und es bedarf viel Erfahrung dies einzuschätzen.

Traut Euch, Fehler zu machen. Der Meister ist viel öfter gescheitert als der Anfänger es je versucht hat. Und das Pferd wird sie Euch am allerwenigsten übel nehmen.

 

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